Montanarchäologie der Grube Caroline
Von Martin Straßburger
Das Tal des Eberbachs lässt
auf den ersten Blick nicht vermuten, dass hier Bergbau betrieben wurde. Die
übertägigen Spuren geben zunächst nur wenig Aufschluss über dessen Umfang. Bei den
so genannten „Erzlöchern“ handelt es sich um Pingen, d.h. verbrochene
Grubenbaue. Ansonsten finden sich keine alten Stollenmundlöcher und Halden als
untrügliche Zeichen wie in anderen Revieren. Die verschiedenen Nutzungen der
Landschaft und Erosionsprozesse haben dazu geführt, dass diese im Laufe der
Zeit von Sedimenten verdeckt wurden. Unter Tage bietet sich ein ganz anderes
Bild.
Ein Gang durch die Zeit
Im
Trottbühl sind verschiedene Bergbauphasen vom Mittelalter bis ins 18.
Jahrhundert zu sehen. Erzlöcher, Stollensohle und Abbau bis zur 2. Teilsohle
bilden den ältesten Teil des Bergwerkes. Nach dem bisherigen Kenntnisstand sind
einige Befunde in das 13. Jahrhundert zu datieren. Die Stollensohle bestand
ursprünglich aus zwei Bergwerken, die im 16. oder sogar erst im 18. Jahrhundert
miteinander verbunden wurden. Der Befund ist an dieser Stelle nicht eindeutig.
Die mittelalterlichen Stollen sind ca. 1,2 m hoch und 80 cm breit. Erhaltene
Arbeitsspuren zeigen, dass sie mit kleinen Keilhauen und Fimmeln (Spitzmeißeln)
vorgetrieben wurden. In den Stößen (Wänden) befinden sich Nischen für
Schalenlampen aus Ton.
Auf
der 6. Teilsohle sind hauptsächlich Spuren des 16. Jahrhunderts festzustellen.
Auch der Hauptschacht datiert in diese Zeit. Die Stollen und Strecken wurden
mit Schlägel und Eisen aufgefahren und weisen einen annähernd trapezförmigen
Querschnitt auf. Von den beiden Schächten auf der 6. Teilsohle stellt der
südöstliche eine Besonderheit dar: In ihm haben sich zum einen Ausbauhölzer und
Fahrten aus der Zeit 1528-1530 erhalten, zum anderen wurde bei seiner
Aufwältigung eine Ansammlung von Gezähe (Werkzeug), Eisenbeschlägen und -nägeln
gefunden.
Spuren
der letzten Bergbauphase im 18. Jahrhundert reichen von der Stollensohle bis
auf die 6. Teilsohle. Es handelt sich meist um Prospektions- oder so genannte
Nachlesearbeiten in älteren Grubenbauen. Nur eine Strecke auf der 6. Teilsohle
ist im 18. Jahrhundert vollständig neu aufgefahren worden. Der Vortrieb wurde
mit Schlägel und Eisen sowie Bohren und Schießen (Sprengen) bewerkstelligt. Der
archäologische Befund bestätigt die Quartalsberichte des Schichtmeisters J. Ch.
Giehne.
Depotfund des 16. Jahrhunderts
In dem auf 1528-1530 datierten Schacht konnte
ein Fundkomplex aus Gezähe, Beschlägen, Nägeln, Klammern und anderen Objekten
geborgen werden. Auffällig ist, dass er neben intaktem vor allem defektes
Gezähe und Bruchstücke von Eisenbeschlägen enthält. Zahlreiche Bergeisen sind
am Auge gebrochen, oder das Eisen ist längs gerissen ebenso der Schlägel. Das
Gezähe war damit für den weiteren Einsatz unbrauchbar und musste neu
verschmiedet werden. Auf eine frühere Reparatur weisen deutliche Spuren an der
Kratze hin. Die Beschläge wurden nicht sorgfältig entfernt, sondern offenbar
gewaltsam abgeschert. Möglicherweise handelt es sich bei dem Fundkomplex daher
um eine Deponierung von Altmetall, das gesammelt zum Schmied gebracht werden
sollte, jedoch vergessen wurde. Innerhalb des Montanwesens finden sich gerade
im 16. Jahrhundert An- bzw. Verordnungen hinsichtlich der Versorgung mit Eisen
und der Bergschmiede, wie z. B. im Schwazer Bergbuch (Österreichischen
Nationalbibliothek, Cod. Vindobonensis 10.852, fol. 30v; 1561): „Dann des neuen
Zeugs halben, so die schmid begern am berg zumachen, damit soll es dermassen
gehalten vnd zugelassen werden, die alten verstraubten eisen am berg
wiederumben zuuerschmieden vnd anlag eisen daraus zu machen.“
„Wie der Schiner schinen, Eisen
furbbringen und wie die Huetleut zum Eisen faren sollen“
In
der Grube Caroline bei Sexau wurden bisher drei Markscheiderzeichen gefunden.
In den Stoß der Hornstatt des dendrochronologisch um 1528-1530 datierten
Schachtes auf der 6. Sohle wurde VL eingemeißelt. Es handelt sich dabei
wahrscheinlich um eine Verstufung für die Abrechnung des geleisteten
Vortriebes, wobei aufgrund der dürftigen Quellenlage für den Schwarzwald
vorerst offen bleiben muss, welche konkrete Bedeutung das Zeichen hat.
Jedenfalls ist es das bisher älteste, sicher datierte Markscheiderzeichen und
das einzige dieser Art im Schwarzwald. Im oberen Stollen der Grube Caroline
befindet sich u.a. ein Quartalswinkel in Form eines L. Zeichen dieser Art
werden auch Quartalsstufen genannt. Eine weitere Markierung im oberen Stollen
der Grube Caroline in Form eines C kann noch nicht gedeutet werden. Profil und
Arbeitsspuren nach zu urteilen könnte dieser Stollenabschnitt in der ersten
Hälfte des 18. Jahrhunderts aufgefahren worden sein.
Dendrochronologie und
-archäologie im Bergwerk
Der
Werkstoff Holz wurde in Bergwerken vielfältig eingesetzt und fand im
untertägigen Betrieb vor allem Verwendung für die Grubenzimmerung. Die häufig
sehr guten Erhaltungsbedingungen ergeben sich durch die Grubenwässer oder den
luftdichten Abschluss in lehmigen Sedimenten. Durch dendrochronologische
Analysen ist eine sichere Datierung der verschiedenen Bergbauperioden, technischen
Einrichtungen und umwelt-, klima- und waldgeschichtlichen Entwicklungen
möglich. Die Jahrringfolgen beinhalten auch wichtige Hinweise über die Herkunft
des Holzes, Standortverhältnisse der Bäume sowie Waldnutzungsformen.
Untersuchungen zu diesen Fragestellungen sind eine Weiterentwicklung der
Dendrochronologie, die als Dendroarchäologie bezeichnet wird.
Die
ersten erfolgreichen Analysen von Hölzern aus einem Bergwerk im Schwarzwald
wurden an Proben aus der Grube Caroline durchgeführt. Inzwischen sind insgesamt
ca. 70 Grubenhölzer beprobt und datiert worden. Damit ist das Bergwerk eines
der am umfangreichsten dendrochronologisch untersuchten im Schwarzwald und so
ein wichtiger Fundplatz für die Dendroarchäologie in dieser Region.
Ein montanarchäologisches Kleinod
Die
Grube Caroline gehört zu einem der am besten montanarchäologisch untersuchten
Bergwerke des Schwarzwaldes. In den befahrbaren Bereichen ist die
Bergbaugeschichte in Form von sehr gut erhaltenen Befunden auf engstem Raum
über eine vertikale Erstreckung von ca. 24 m erschlossen. Durch die ersten
erfolgreich aus einem Bergwerk des Schwarzwaldes dendrochronologisch
analysierten Hölzer, den fest datierten Depotfund und das Markscheiderzeichen
aus dem 16. Jahrhundert ist die Grube Caroline zu einem wichtigen
montanarchäologischen Fundplatz geworden. Die Befunde sind selbstverständlich
nicht isoliert zu sehen. So wurden z.B. im Suggental
wichtige Vergleiche zu den mittelalterlichen Stollen von der dortigen
Forschungsgruppe freigelegt und dokumentiert.
Die
geologisch-lagerstättenkundlichen Forschungen, die archäologischen Befunde und
Funde sowie der insgesamt sehr gute Forschungsstand machen die große Bedeutung
der Grube Caroline aus. Für die Montanarchäologie ist sie bisher der
wichtigste Fundplatz der frühen Neuzeit im Schwarzwald.
Martin
Straßburger ist seit 17 Jahren auf Ausgrabungen und in verschiedenen Projekten
tätig. Im Jahre 1996 begann er sein Studium in Bonn und wechselte 1998 nach
Freiburg. Mit seiner Arbeit über die Archäologie eines Bergwerkes im Farnacker
(Obermünstertal) erlangte er 2002 den Titel des Magister Artium. Zur Zeit schreibt er seine Dissertation über den Bergbau im
Schauinsland vom späten 13. Jahrhundert bis um 1800 und dessen Beziehungen zur
Stadt Freiburg. Die zugänglichen Teile des Bergwerkes und die dazugehörigen
Siedlungen der Bergleute wurden von ihm acht Jahre lang erforscht. Er
dokumentiert ferner die Bergwerke Caroline bei Sexau, Erich im Suggental, Segen
Gottes bei Haslach im Kinzigtal und St. Ursula bei Welschensteinach sowie im
Sauerland den hochmittelalterlichen Bergbau auf Silber, Blei und Kupfer bei
Ramsbeck und den Kupfererzbergbau von Marsberg. Seit 2004 werden von ihm die
Defensionslinien des 17. und 18. Jahrhunderts auf dem Schwarzwald, der Alb und
in der Oberrheinebene kartiert. Außerdem bearbeitet Martin Straßburger seit
2006 im Rahmen eines Projektes des Kurpfälzischen Museums der Stadt Heidelberg
die Befunde und Funde der Belagerung durch Tilly im Jahre 1622.